Bereitstellung von Kontaktmöglichkeiten zwischen Verbraucher und Online-Händler

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Im Vorabentscheid (Rs. C-649/17) präzisiert der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Pflicht eines Online-Händlers, Verbrauchern Kontaktmöglichkeiten bereitzustellen, um ihnen vor dem eigentlichen Vertragsabschluss einen leichten Zugang zu relevanten Informationen zu sichern.

Der vorliegende Entscheid hat eine streitige Pflichtverletzung des Online-Händlers Amazon zum Gegenstand. Beim Bestellvorgang auf dessen Internetseite konnte der Verbraucher auf einen Link klicken, der ihn auf eine andere Internetseite mit drei Optionen zur Kontaktaufnahme weitergeleitet hat. Er hatte sodann die Wahl zwischen dem Senden einer E-Mail, einem Internet-Chat oder einem telefonischen Anruf. Nicht zur Verfügung stand hingegen eine Faxnummer. Wünschte der Verbraucher telefonisch mit Amazon in Kontakt zu treten, musste er entweder seine Telefonnummer angeben und auf einen Rückruf warten oder einige Sicherheitsfragen beantworten, um anschliessend der allgemeinen Hilfenummer anrufen zu können.

Nach Auffassung eines deutschen Vereins zum Verbraucherschutz informiere Amazon in Verletzung von nationalem und gemeinschaftlichem Recht unzureichend über seine Telefon- und Faxnummer und gebe erstere nicht in klarer und verständlicher Weise an. Der Rückrufservice erfülle die Informationspflichten nicht, da der Verbraucher eine Vielzahl von Schritten durchlaufen müsse, bis er mit dem Online-Händler in Kontakt treten könne. Die Klage wurde bis an den deutschen Bundesgerichtshof (BGH) weitergezogen. Dieser ersuchte den EuGH um die Auslegung des Art. 6 Abs. 1 lit. c der europäischen Verbraucherrechte-RL (RL 2011/83) und fragte nach der Vereinbarkeit einer nationalen Bestimmung, welche von Unternehmern stets die Angabe einer Telefonnummer fordert, mit dem Unionsrecht.

Angesichts des unklaren Wortlauts kämen für Art. 6 Abs. 1 lit. c RL 2011/83 zwei verschiedene Auslegungsmöglichkeiten infrage: Einerseits könnte der Unternehmer bloss dann verpflichtet sein, den Verbraucher über seine Telefon- und Faxnummer zu informieren, wenn der Unternehmer tatsächlich von diesem Kommunikationsweg mit den Verbrauchern Gebrauch mache. Andererseits könnte die besagte Pflicht bestehen, sobald der Unternehmer über solche Nummern verfügt – unabhängig davon, ob er diese benutzt, um mit den Verbrauchern in Kontakt zu treten.

Die Unsicherheit stamme von der Wendung «gegebenenfalls», wobei andere Sprachfassungen wie die englische («where available») oder die französische («lorsqu’ils sont disponibles“) auf die erste Auslegungsvariante hindeuten. Die Bestimmung müsse daher nach ihrem Kontext und den Regelungszielen ausgelegt werden. Eine wie in Art. 6 Abs. 1 lit. c RL 2011/83 vorgesehene effiziente Kommunikation sei für die Wahrung und wirksame Durchsetzung der Verbraucherrechte von grundlegender Bedeutung. Die Bestimmung solle sicherstellen, dass der Verbraucher über die Vertragsbedingungen, einschliesslich der Ausübung seines Widerrufsrechts, informiert werde, bevor er ein verbindliches Rechtsgeschäft eingehe. Zwischen dem Verbraucherschutz und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen müsse jedoch ein ausgewogenes Gleichgewicht unter Berücksichtigung der in Art. 16 der Charta verankerten unternehmerischen Freiheit gewahrt werden.

Es sei zwar Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob die konkrete Internetseite des Online-Händlers eine effiziente Kommunikation i.S.d. Art. 6 Abs. 1 lit. c RL 2011/83 ermögliche. Eine nationale Bestimmung mit einer unbedingten Verpflichtung, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen oder gar einen Telefonanschluss, Faxanschluss oder ein E-Mail-Konto neu einzurichten, erscheine jedoch unverhältnismässig. Dies gelte insbesondere in Hinblick auf kleinere Unternehmen, die ihren Vertrieb gerade durch Fernabsatz organisieren, um die Betriebskosten tief zu halten. Die zwingende Angabe einer Telefonnummer sei ferner nicht aus Art. 6 Abs. 1 lit. c RL 2011/83 abzuleiten, zumal auf eine ausdrückliche Verpflichtung wie in Art. Abs. 1 lit. b RL 2011/83 verzichtet wurde. Ausserdem verbiete Art. 21 RL 2011/83, dass die Kosten für Anrufe von Verbrauchern an Unternehmer über den Grundtarif hinausgehen, falls eine Telefonleitung für Verbraucher eingerichtet worden sei. Damit gehe Art. 21 RL 2011/83 davon aus, dass nicht jeder Unternehmer über eine Telefonleitung verfüge. Aus diesen Erwägungen sei die Wendung «gegebenenfalls» in Art. 6 Abs. 1 lit. c RL 2011/83 danach auszulegen, dass der Unternehmer den Verbraucher nur dann über eine Telefon- oder Faxnummer informieren müsse, wenn diese für den Kontakt mit den Verbrauchern verwendet werden.

Zudem sei die Liste der zulässigen Kommunikationsmittel in Art. 6 RL 2011/83 nicht abschliessend. Vielmehr dürften andere Formen zur Kontaktaufnahme angeboten werden, sofern sie die Kriterien einer direkten und effizienten Kommunikation erfüllen. Denkbar sei etwa ein elektronisches Kontaktformular für Anliegen der Verbraucher, welches dann schriftlich oder telefonisch beantwortet werde. Daher seien Telefonnummern, die – wie im vorliegenden Fall – nach wenigen Klicks verfügbar sind, unproblematisch. Auch Amazons Bemühung, die Verbraucher zu ermuntern, auf andere effiziente Kommunikationsmittel wie ein Internet-Chat oder ein Rückrufsystem zurückzugreifen, stehe Art. 6 Abs. 1 lit. c RL 2011/83 nicht entgegen.

Fazit

Mit diesem Vorabentscheid verschafft der EuGH Klarheit über den mehrdeutigen Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 lit. c RL 2011/83. Er hat sich für eine liberalere Auslegung entschieden, indem er den Unternehmern grösseren Spielraum bei der Auswahl und beim Bereitstellen von Kommunikationsmitteln für die Verbraucher gewährte. Der EuGH erkennt die Vielfalt der mittlerweile verfügbaren Medien und hält nicht rigide an den klassischen, wie Telefon, E-Mail oder gar veralteten Fax, fest. Das Näherrücken zur wirtschaftlicher Freiheit erfolgte, insbesondere aufgrund Kostenüberlegungen zugunsten der KMU, ohne die Wichtigkeit des Verbraucherschutzes zu verkennen. So hört die Freiheit auf, wenn keine direkte und effiziente Kommunikation zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher mehr sichergestellt werden könne.

Autorin: Nona Michel
Der Beitrag gibt ausschliesslich die persönliche Auffassung der Autorin wieder.