Die WAK-S hat jüngst in einer zweiten Sitzung die Detailberatung des indirekten Gegenvorschlags des Bundesrates zur Volkinitiative "Stop der Hochpreisinsel – für faire Preise" abgeschlossen. Die Kommission hat mit 8 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt, die Volksinitiative abzulehnen, da deren Anliegen durch den indirekten Gegenvorschlag weitgehend erfüllt werden. Informationen zur ersten Sitzung der WAK-S finden Sie hier.
Der Ständerat hat sich in der Debatte vom 2. Dezember 2020 mit 30 zu 12 Stimmen ebenfalls für die Ablehnung der Volksinitiative entschieden. Hinsichtlich der Art. 4, Art. 7 und Art. 7a KG ist der Zweitrat den Beschlüssen des Nationalrates gefolgt. Differenzen zwischen den Räten verbleiben bei folgenden Bestimmungen:
- Die Ständeratskommission hat den vom Nationalrat vorgeschlagenen Art. 7 Abs. 2 lit. g KG als protektionistisch eingestuft und die Streichung der Reimportklausel beantragt. Die Mehrheit des Ständerates ist diesem Antrag nun gefolgt. Nicht übernommen hat der Ständerat hingegen den Art. 7 Abs. 3 KG, welcher die WAK-S mit 8 zu 2 Stimmen bei 3 Enthaltungen eingeführt hat.
- Umstritten ist zudem das Verbot des privaten Geoblockings nach Art. 3 Abs. 1 lit. v UWG, welches vom Nationalrat in den indirekten Gegenvorschlag eingefügt wurde. Die Mehrheit der WAK-S hat sich mittels Ergänzung eines zweiten Satzes dafür ausgesprochen, dass der Bundesrat die Ausnahmen des Geoblockings bestimmt. Auf diese Weise wurde angestrebt, dass sich der Nationalrat nochmals genauer mit der Frage auseinandersetzt. Der Ständerat hat sich für die Streichung des Art. 3 Abs. 1 lit. v UWG – und nicht wie die WAK-S für eine Ergänzung des Gesetzestextes – entschieden. Angeführt für die Streichung werden primär formale Gründe.
Stellungnahme des Lehrstuhls
Es ist erfreulich, dass die WAK-S den drei Empfehlungen in unserer Stellungnahme vom 20. Oktober 2020 (PDF, 293 KB) vollumfänglich Rechnung getragen hat. Die Erweiterung der Legaldefinition relativer Marktmacht auf beide Marktseiten in Art. 4 Abs. 2bis KG, die Aufnahme relativer Marktmacht in Art. 7 KG sowie die ersatzlose Streichung des vom Bundesrat vorgeschlagenen Art. 7a KG sind dementsprechend überzeugend.
Unseres Erachtens ist hingegen die vom Ständerat beantragte vollumfängliche Streichung der Reimportklausel nicht angezeigt. Grosse Unternehmen würden Art. 7 Abs. 2 lit. g Halbsatz 1 KG aus Gründen der Compliance befolgen und kleine Unternehmen würden wohl mitziehen. Halbsatz 2 der Klausel, an dem sich der Ständerat besonders gestört hat, könnte hingegen als Kompromisslösung gestrichen werden.
Auch die Streichung des privaten Geoblockings überzeugt nicht. Nach unserer Auffassung sollte eine – und zwar nicht auf den reinen Online-Sektor beschränkte, sondern auf den Fernabsatz-Bereich zugeschnittene – Geoblocking-Vorschrift aufgenommen werden, die wie folgt lauten könnte (infolge des Inkrafttretens des neuen Art. 3 Abs. 1 lit. v und lit. w UWG mit 1. Januar 2021 müsste das Verbot neu unter dem Buchstaben x erfasst werden):
Konkreter Formulierungsvorschlag des Lehrstuhls zum Geoblocking
"Art. 3: (1) Unlauter handelt insbesondere, wer
[…]
(x) den Zugang zu Waren, Werken und Leistungen aus dem Ausland zwar im Fernabsatz in der Schweiz anbietet, diesen aber bei schweizerischem Liefer- oder Bezugsort von der Zahlung höherer Nettopreise abhängig macht als im Ausland."
Zu flankieren wäre dieser erste Absatz durch einen zweiten Absatz, welcher die sachlich gebotenen Ausnahmen vom Geoblocking-Verbot konkretisiert oder eine entsprechende Ermächtigung des Bundesrates zur Festlegung im Verordnungsweg enthält.
Mit dem vorgeschlagenen ersten Absatz würde sichergestellt, dass
- eine Abstimmung mit dem unionalen Rechtsrahmen (EU-Geoblocking-VO) insofern erreicht wird, als die genannte VO schon heute - auch - auf Schweizer Anbieter Anwendung findet, die mit Kunden aus der EU geschäften und dabei nicht Kunden aus bestimmten Mitgliedstaaten gegenüber anderen diskriminieren dürfen,
- mit der neuen Regelung keine allgemeine Lieferpflicht gemeint ist und natürlich Nebenkosten u.Ä. bei schweizerischem Liefer- oder Bezugsort höher ausfallen können (dies entspricht der unionalen Rechtslage),
- die notwendige Präzisierung auf Nettopreise enthalten ist, welche angezeigt ist, weil die Bruttopreise naturgemäss je nach Steuerrecht variieren können und so gleichzeitig klargestellt wird, dass unterschiedliche Versandkosten udgl. gerade nicht vom angestrebten Verbot erfasst sind (ebenso wie dies im Übrigen in der EU-Geoblocking-VO gehandhabt wurde),
- keine Einschränkung auf reine Online-Vertriebskanäle vorgenommen wird, da nicht einzusehen wäre, warum dieselbe Praktik via Telefon oder Werbekatalog lauterkeitsrechtlich unbedenklich sein sollte, wenn sie auf Online-Kanälen bedenklich wäre,
- die Lokalisierung der Nachfrager kollisionsrechtsgerecht präzisiert ist.
Im Übrigen hätte eine systematische Verortung des Geodiskriminierungsverbotes im UWG (und damit ausserhalb des KG) aus Nachfragerperspektive den Vorteil, dass man nicht nur jene Geoblocking-Praktiken systematisch stimmig sanktionieren könnte, die gleichzeitig auch allgemein kartellrechtlich bedenklich sind, weil sie etwa auf entsprechenden Absprachen, Marktmacht etc. beruhen. Der Anwendungsbereich des Verbotes im UWG wäre also unseres Erachtens ein weiterer als bei einer Aufnahme in das KG.
Ausblick
Insgesamt bleibt für die Frühjahrssession 2021 zunächst vor allem zu hoffen, dass die Vorlage die Schlussabstimmung überstehen wird. Sodann bleibt abzuwarten, inwiefern insbesondere den hier vorgetragenen Anliegen zum Thema "Geoblocking" schlussendlich Rechnung getragen wird.
Autoren: Leander D. Loacker, Lara Blumer