Anerkennung von Unterschriftsbeglaubigungen durch Rechtsanwälte in der EU?

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Die Klägerin reichte in der Tschechischen Republik ein Gesuch um Eintragung der beabsichtigten Veräusserung ihres Eigentumsanteils an einer österreichischen Liegenschaft ein. Ihre Unterschrift auf dem Gesuch liess sie von einem tschechischen Anwalt beglaubigen. Die Klägerin beantragte sodann die Bewilligung dieser Eintragung beim zuständigen österreichischen Bezirksgericht. Der Antrag wurde jedoch mit der Begründung abgewiesen, dass ihre Unterschrift entgegen dem österreichischem Recht nicht gerichtlich oder notariell beglaubigt worden sei. Der österreichisch Oberste Gerichtshof legte als letzte Instanz dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor (Rs. C-342/15):

Die erste Frage war, ob Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/249 (RL 77/249) betreffend den freien Dienstleistungsverkehr der Rechtsanwälte so auszulegen sei, dass die Vornahme von Beglaubigungen über die Echtheit von Unterschriften auf Liegenschaftsurkunden Notaren vorbehalten werden dürfe.

Der EuGH hielt dazu fest, dass die Beglaubigung von Unterschriften eine "Tätigkeit des Rechtsanwalts" i.S.d. Art. 4 Abs. 4 RL 77/249 darstelle. In einem nächsten Schritt war zu klären, ob die Tätigkeit der in der RL 77/249 verankerten Dienstleistungsfreiheit unterliege. Einerseits komme die RL 77/249 im klassischen Fall zur Anwendung, in dem sich der Rechtsanwalt zur Erbringung seiner Dienste in einen anderen Mitgliedsstaat begebe. Andererseits sei ihr Anwendungsbereich ebenfalls eröffnet, wenn die Dienstleistungsempfängerin sich in einen anderen Mitgliedsstaat als den ihres Wohnsitzes begebe, um die Leistungen eines dort ansässigen Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen (sog. "passive Dienstleistungsfreiheit"). Im vorliegenden Fall habe sich die Klägerin als Dienstleistungsempfängerin nach Tschechien begeben, um dort ihre Unterschrift beglaubigen zu lassen. Aufgrund einer Beschränkung der passiven Dienstleistungsfreiheit sei die RL 77/249 somit anwendbar.

Die vorgelegte erste Frage bezog sich im Ergebnis primär auf die Auslegung der Ausnahmeregelung i.S.d. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 der RL 77/249, welche es den Mitgliedstaaten erlaubt, "bestimmten Gruppen von Rechtsanwälten" die Abfassung förmlicher Urkunden, mit denen ein Recht an Grundstücken geschaffen oder übertragen wird, vorzubehalten. Das Ziel der Ausnahme sei es dabei nicht gewesen, den Mitgliedstaaten das Recht zu geben, gewisse Tätigkeiten auf bestimmte Rechtsberufe wie Notare zu beschränken und es damit den ausländischen Rechtsanwälten zu untersagen, diese Tätigkeiten auszuüben. Vielmehr betreffe die Ausnahmebestimmung nur die verschiedenen Gruppen von Rechtsanwälten ("Barristers" und "Solicitors"), die im Vereinigten Königreich und in Irland in unterschiedlicher Weise berechtigt sind, ihre beruflichen Tätigkeiten auszuüben. Es seien folglich keine anderen Berufsgruppen von Rechtsanwälten, somit auch keine Notare, von der Ausnahme erfasst. Die Ausnahme in Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 der RL 77/249 könne demnach keine Anwendung finden.

Die zweite Frage war, ob der im nationalen Recht verankerte Vorbehalt zugunsten der Beglaubigung (nur) durch Notare dem freien Dienstleistungsverkehr i.S.d. Art. 56 AEUV entgegenstehe.

Der EuGH führte dazu aus, dass gerade in Mitgliedstaaten, die das lateinische Notariat kennen, nationalen Bestimmungen, welche die Überprüfung von Grundbucheintragungen durch Notare vorsehen, eine besondere Bedeutung hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Grundbuchsystems zukomme, was einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstelle. Ferner sei analog zur Rechtsprechung im Bereich der Niederlassungsfreiheit zu beachten, wenn mit den notariellen Tätigkeiten die Rechtmässigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen gewährleisten werden soll. Beides sei in casu der Fall, weshalb eine nationale Bestimmung wie die vorliegende zwar in die unionalen Freiheiten eingreife, aber letztlich einer Rechtfertigung zugänglich sei.

Schliesslich prüfte der EuGH die Verhältnismässigkeit. Die notarielle Beteiligung beschränke sich nicht darauf, die Identität der unterzeichnenden Person, sondern auch den Inhalt des fraglichen Rechtsakts zu überprüfen. Unterschriftsbeglaubigungen in Grundstückssachen dürften somit einer bestimmten Berufsgruppe vorbehalten werden, die öffentliches Vertrauen geniesse und über die der betreffende Mitgliedstaat eine besondere Kontrolle ausübe. Vor diesem Hintergrund stelle die Beschränkung eine geeignete Massnahme dar. Ferner unterstünden notarielle Beglaubigungen strengeren Bestimmungen und seien deshalb nicht mit Unterschriftbeglaubigungen durch Rechtsanwälte vergleichbar. In Tschechien komme dem angebrachten Beglaubigungsvermerk eines Rechtsanwalts demnach nicht die Beweiskraft einer notariellen Beglaubigung zu.

Fazit

Bei Anerkennung der Beglaubigung des tschechischen Rechtsanwalts in Österreich würde diese einen höheren Wert geniessen als in Tschechien selbst. Dies würde einen allgemeinen Verzicht auf staatliche Kontrollfunktionen und eine wirksame Gewährleistung der Kontrolle der Grundbucheintragungen bedeuten. Die Konsequenz wäre eine Störung der Funktionsfähigkeit des Grundbuchsystems sowie der Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen.

Der Notarvorbehalt des österreichischen Rechts gehe daher nicht über das hinaus, was zur Erreichung legitimer Ziele erforderlich sei und verstösst somit nicht gegen unionale Vorgaben.

Autorin: Nona Michel
Der Beitrag gibt ausschliesslich die persönliche Auffassung der Autorin wieder.