Derzeit befasst sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C‑433/19 mit der Frage, welches Gericht für die Klage, die von einem Wohnungseigentümer gegen einen anderen Wohnungseigentümer mit dem Begehren erhoben worden ist, die touristische Nutzung seiner Wohnung zu unterlassen, international zuständig ist. Am. 18. Juni 2020 legte der in der Sache zuständige Generalanwalt Szpunar dem EuGH seine Schlussanträge vor.
Konkret handelt es sich im vorliegenden Fall um eine Unterlassungsklage zwischen SP, mit Wohnsitz in Österreich, und der Gesellschaft Ellmes Property Services, mit Sitz im Vereinigten Königreich. Beide sind Wohneigentümer einer in Zell am See (Österreich) gelegenen Liegenschaft. Über die Wohnungen besteht ein Wohnungseigentumsvertrag, der namentlich auch deren Widmung regelt. Ellmes Property Services vermietet ihre Wohnung regelmässig an Feriengäste. Eine solche touristische Nutzung entspricht nach Ansicht der SP nicht der im Wohnungseigentumsvertrag vereinbarten Nutzung, weshalb SP eine Nutzungsunterlassungsklage beim österreichischen Gericht gegen Ellmes Property Services erhob.
Im unional harmonisierten IZPR wird die internationale Zuständigkeit durch die Verordnung Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) geregelt. Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1 EuGVVO begründet für Verfahren, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, eine ausschliessliche Zuständigkeit des Gerichts des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Für die Begründung der Zuständigkeit reicht es jedoch nicht aus, dass ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache von der Klage berührt wird oder dass die Klage mit einer unbeweglichen Sache zusammenhängt. Die Klage muss vielmehr auf ein solches Recht gestützt sein. Ein dingliches Recht liegt vor, wenn das Recht gegenüber jedermann (sog. erga-omnes-Wirkung) und nicht nur gegenüber dem individuellen Vertragspartner, geltend gemacht werden kann.
Die österreichischen Gerichte waren sich über die internationale Zuständigkeit nicht einig, weil die internationalzivilprozessuale Qualifikation des Klagegegenstands unklar war: Beruht die Klage auf der dinglichen Rechtsstellung der Parteien oder betrifft sie nur die privatrechtliche Nutzungsvereinbarung? Der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) wandte sich daher mittels Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Er wollte wissen, ob Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1 EuGVVO dahin auszulegen sei, dass unter diese Vorschrift auch die vorliegend eingereichte Klage fällt. Für den Fall, dass die Frage verneint werde, wollte er wissen, ob die vorliegende Klage unter Art. 7 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO falle, und falls ja, auf welche Verpflichtung i.S. dieser Vorschrift die Klage gestützt werde und ob der Erfüllungsort der Verpflichtung der Belegenheitsort der Wohnung sei.
Gegenstand der Klage ist in casu die Nichteinhaltung der im Wohnungseigentumsvertrag vereinbarten Nutzung durch einen anderen Wohnungseigentümer. Nach Auffassung des GA Szpunar muss daher das vorlegende Gericht zunächst bestimmen, ob die im Wohnungseigentumsvertrag vereinbarte Nutzung jedermann entgegengehalten werden kann. Dies wäre gem. GA Szpunar der Fall, wenn ein Wohnungseigentümer eine Unterlassungsklage auch gegen einen Mieter erheben könnte, der dem Wohnungseigentumsvertrag nicht zugestimmt hat, und der die im Wohnungseigentumsvertrag vereinbarte Nutzung nicht enthält.
Laut dem Generalanwalt sei zudem für den Belegenheitsmitgliedstaat die Einhaltung der vertraglichen Vereinbarungen über die Widmung einer unbeweglichen Sache zwischen Wohnungseigentümern nicht so elementar, dass seine ausschliessliche Zuständigkeit in diesem Bereich gesichert werden müsste. Anders wäre es jedoch, wenn die Vereinbarungen dingliche Wirkung hätten. Nur letztere fallen unter Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1 EuGVVO.
Für den Fall, dass die ausschliessliche Zuständigkeit zu verneinen ist, begründet Art. 7 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO für Verfahren, welche einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag zum Gegenstand haben, eine internationale Zuständigkeit des Gerichts des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Laut dem Generalanwalt stehen die Wohnungseigentümer aufgrund des Wohneigentumsvertrags in einer freiwillig eingegangen, vertraglichen Beziehung. Das bedeutet, dass der Gegenstand des Verfahrens ein Vertrag bzw. Ansprüche aus einem Vertrag sind. International zuständig wären daher die Gerichte des Erfüllungsorts. Die Verpflichtung, die zu erfüllen wäre, ist nach Auffassung des Generalanwalts eine Unterlassungspflicht, namentlich die Pflicht, die Widmung der Wohnungen nicht vertragswidrig zu ändern. Nach seiner Auffassung obliegt es jedoch dem nationalen Gericht, festzustellen, ob der Erfüllungsort dieser Verpflichtung dem Belegenheitsort der Wohnungen entspricht.
Fazit
Die Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar sind für den EuGH nicht bindend, er folgt diesen jedoch in der überwiegenden Mehrheit der Fälle. Dem Urteil des EuGH wird aufgrund der Parallelität zwischen EuGVVO und LugÜ auch für die Schweiz Bedeutung zukommen.
Zusammengefasst hält der Generalanwalt zu Recht fest, dass es für die Begründung der ausschliesslichen Zuständigkeit nach Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1 EuGVVO nicht ausreicht, wenn ein dingliches Recht an einer Sache von der Klage bloss berührt wird. Vielmehr muss die Klage auf ein solches Recht gestützt sein bzw. sich unmittelbar aus diesem ableiten. Daher ist es für die Anwendung von Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1 EuGVVO erforderlich, dass dem Wohneigentumsvertrag dingliche Wirkung zukommt, andernfalls läge nur eine Klage vor, die mit einer unbeweglichen Sache zusammenhängt und auf welche die Zuständigkeitsregel von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO anzuwenden ist. In diesem Fall wäre das Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung zu erfüllen ist, international zuständig. Die Verpflichtung besteht nach Auffassung des Generalanwalts darin, die Widmung der Wohnungen nicht vertragswidrig zu ändern. Die Feststellung des Erfüllungsorts obliegt allerdings dem nationalen Gericht.
Autorin: Elisa Castelnuovo Der Beitrag gibt ausschliesslich die persönliche Auffassung der Autorin wieder.