Während die Zahl der Elektroautos auf Schweizer Strassen stetig ansteigt, gestaltet sich die Tanksituation bisweilen für die Fahrzeugbesitzer problematisch: Will nämlich der Halter eines Elektroautos dessen Batterien bei einem Electro-Mobility-Provider, auch als E-Tankstelle bezeichnet, aufladen, ist es ihm vor dem Aufladen teilweise kaum möglich, den zu bezahlenden Preis zu ermitteln. Denn ein Grossteil der fast 4'000 E-Tankstellen in der Schweiz verzichtet auf eine Preisangabe für den von ihnen angebotenen Strom. Auch im Internet lassen sich keine verlässlichen Preisangaben finden. Erst im Anschluss an den Tankvorgang erfährt der Konsument, wie viel eine E-Tankstelle für den Ladevorgang verrechnet. Der Konsument kennt damit den Endpreis des bezogenen Stroms erst im Zeitpunkt der Abrechnung. Dies kann aufgrund der dynamischen Preisgestaltung von E-Tankstellen zu bösen Überraschungen führen.
Der Strompreis ist je nach E-Tankstelle von verschiedenen, teilweise miteinander kombinierten Faktoren abhängig: In der Regel gelten tiefere Preise für Kunden, die ein Abonnement mit dem E-Tankstellennetzbetreiber abgeschlossen haben. Dabei können die Preisdifferenzen erheblich ausfallen: So zahlen Personen ohne Abonnement bis zum 65-fachen des Preises im Vergleich zu den Abonnenten. Hinzu kommen die unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen der E-Tankstellen: Teilweise verrechnen diese Pauschalpreise für einen Ladezyklus, für andere ist die Ladezeit massgebend, wiederum andere stellen auf die aufgewendeten Kilowattstunden ab. Während die Preisgestaltung eines Privatunternehmens grundsätzlich in dessen Privatautonomie steht, ist es problematisch, dass der Konsument vorab nicht wissen kann, wie hoch der Preis letztlich ausfällt. Dadurch bleibt es ihm verwehrt, verschiedene Angebote miteinander zu vergleichen und sich gestützt darauf für eine bestimmte E-Tankstelle zu entscheiden. Auf diesen Missstand wurde bereits verschiedentlich hingewiesen: Sowohl der Preisüberwacher als auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) haben sich kritisch zur bestehenden Situation an den E-Tankstellen geäussert – bisweilen jedoch ohne Konsequenzen für die Betreiber.
Fazit
Die Kritik am «Preis-Chaos» ist nicht ohne rechtliche Abstützung: Art. 16 Abs. 1 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sieht eine Pflicht zur Preisbekanntgabe beim Warenverkauf vor. Gestützt auf diese Bestimmung verlangt die Preisbekanntgabeverordnung (PBV) eine vollständige und transparente Preisbekanntgabe, damit Konsumenten die Preise von Waren miteinander vergleichen können. Darüber hinaus hat der Bundesrat in Art. 10 PBV für einen Katalog von Dienstleistungen ebenfalls eine Preisbekanntgabepflicht vorgesehen. Ein vorsätzlicher Verstoss gegen diese Pflicht kann mit einer Busse von bis zu CHF 20'000.- geahndet werden (Art. 24 Abs. 1 lit. a UWG).
Die Betreiber von E-Tankstellen argumentieren ihrerseits, dass die Lieferung von Strom gar nicht erst unter die Preisbekanntgabepflicht falle, zumal es sich um eine Dienstleistung handle, die auch nicht im Katalog des Bundesrates aufgelistet werde. Zur Frage, ob es sich bei der Stromlieferung der E-Tankstellen tatsächlich um eine von der Preisbekanntgabepflicht nicht erfasste Dienstleistung handle, hat unser Lehrstuhl auf Anfrage des Konsumentenmagazins Saldo eine Stellungnahme abgegeben. Nach der darin vertretenen Auffassung ist die Stromlieferung rechtlich nicht als Dienstleistung, sondern als Verkauf von Energie zu qualifizieren. Folglich trifft die Betreiber von E-Tankstellen die Pflicht zur Preisbekanntgabe.
Bislang kam es – soweit ersichtlich – zu keinem Verfahren gegen die Betreiber von E-Tankstellen, welche durch ihre intransparente Preispolitik gegen die Preisbekanntgabeverordnung verstossen. Für die Konsumenten ist zu hoffen, dass das gegenwärtige «Preis-Chaos» an den E-Tankstellen einer transparenten Preispolitik weichen wird.
Autorin: Anna Züst Der Beitrag gibt ausschliesslich die persönliche Auffassung der Autorin wieder.