Schiedsgerichtsbarkeit und opting out aus der ZPO

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Das Bundesgericht hat sich im Entscheid 4A_540/2018 vom 7. Mai 2019 insbesondere mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen die Parteien eines Binnenschiedsverfahrens (in casu in einem Verfahren vor dem TAS oder Court of Arbitration for Sport) rechtswirksam die Anwendbarkeit des dritten Teils der ZPO, der die Binnenschiedsgerichtsbarkeit regelt, zugunsten des zwölften Kapitels des IPRG, das die internationale Schiedsgerichtsbarkeit regelt, ausschliessen können (sog. opting out).

Die Sache gelangte auf Beschwerde des ehemaligen Generalsekretärs der FIFA, Jerôme Valcke, an das Bundesgericht. Letzterer war zuvor von der FIFA-Ethikkommission für verantwortlich befunden worden, gegen diverse Bestimmungen des Code of Ethics (CEF) verstossen zu haben. Ihm wurde unter anderem vorgeworfen, durch Beteiligung an eigennützigen Ticket-Verkäufen und den Privatgebrauch der Jets der FIFA die Art. 13, 15, 16, 18, 19, 20 und 41 CEF verletzt zu haben. Gemäss des bundesgerichtlichen Urteils soll allein die Inanspruchnahme der Jets für private Reisen einen Schaden in Höhe von 11.7 Mio. USD generiert haben. Die Ethikkommission hatte eine zwölfjährige Sperrung für sämtliche Tätigkeiten im Bereich des Fussballs verhängt und den Beschuldigten zu einer Zahlung von 100‘000 USD verpflichtet. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wurden sowohl von der Rekurskommission als auch vom Court of Arbitration for Sport (TAS) abgewiesen, die den Beschluss der Kommission stützten und lediglich die Sperrung für sämtliche Fussballaktivitäten um zwei Jahre reduzierten.

Vor Bundesgericht machte der Beschuldigte insbesondere geltend, es handle sich beim streitigen Verfahren um ein Binnenschiedsverfahren nach Art. 393 ZPO und nicht um ein internationales Schiedsverfahren nach Art. 190 IPRG. Die Wirksamkeit einer vorangegangenen, den Parteien vom Schiedsgericht unterbreiteten Vereinbarung zur Ausschliessung des dritten Teils der ZPO (vgl. Art. 353 ZPO) wurde von Valcke bestritten. Der Beschwerdeführer leitete daraus die willkürliche Missachtung der zwingenden Bestimmungen des Arbeitsrechts seitens der Vorinstanzen ab. Eine solche Rüge wäre nach dem Prozessrecht des internationalen Schiedsverfahrens unzulässig gewesen, da dieses lediglich die Anfechtung einer Verletzung des schweizerischen ordre public (Art. 17 IPRG) zulässt und keine Möglichkeit zur Willkürrüge eröffnet, wie sie Art. 393 lit. e ZPO ermöglicht.

Fazit

Das Bundesgericht musste sich demzufolge mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Ausschlussvereinbarung nach Art. 353 ZPO befassen und erwog dabei wie folgt: Damit die Ausschliessung des dritten Teils der ZPO wirksam würde, müsse diese ausdrücklich erfolgen. Im Übrigen müssten die Parteien die ausschliessliche Anwendbarkeit des zwölften Kapitels des IPRG vereinbaren und die Erklärungen müssten der Schriftform gemäss Art. 358 ZPO entsprechen.

Gegenständlich lag dem Gericht eine von den Parteien vorbehaltlos unterzeichnete Prozessverfügung (order of procedure) vor, aus deren Wortlaut hervorging, dass die Parteien die Anwendbarkeit des zwölften Kapitels des IPRG unter Ausschluss sämtlicher anderer Prozessrechte verfügten. Das Bundesgericht hob hervor, dass zwar eine Parteivereinbarung, wonach das zwölfte Kapitel des IPRG für anwendbar erklärt werde, für ein rechtswirksames opting out alleine nicht ausreiche, sondern es dazu vielmehr des gleichzeitigen ausdrücklichen Ausschlusses des dritten Teils der ZPO bedürfe. Ein solcher erfordere jedoch keinen ausdrücklichen Verweis auf die abzubedingenden ZPO-Bestimmungen, solange der Parteiwille hinreichend klar sei. Letzteres sei bei einer Wendung „unter Ausschluss sämtlicher anderer Prozessrechte“ (Übersetzung vom Verfasser) in der Prozessverfügung gegeben und das opting out somit als rechtswirksam zu betrachten.

Autor: Michele Volpe
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