Am 24. Mai 2024 hat das Arbeits- und Sozialgericht Wien (Urteil 15 Cgs 5/24w) die Klage einer Transfrau gegen ihren Sozialversicherer auf Rückerstattung der Epilationskosten für die Entfernung ihrer Gesichtsbehaarung gutgeheissen.
Der Sozialversicherer hatte demgegenüber argumentiert, dem stehe der Gleichbehandlungsgrundsatz entgegen, nachdem auch bei anderen Frauen Epilationskosten nicht übernommen würden, selbst wenn diese ihren Haarwuchs als Belastung empfinden. Diese Argumentation geht nach Meinung der zweiten Instanz fehl, da zwar auch biologische Frauen aufgrund unerwünschter Körperbehaarung leiden können, der Leidensdruck aber keine solche Intensität erreichen könne, der Transfrauen ausgesetzt seien.
Ebenfalls nicht gefolgt wurde der Argumentation des Sozialversicherers, wonach es andere kostengünstige Haarentfernungsmethoden gäbe, welche die Beschwerdeführerin hätte anwenden können und sollen. Das Oberlandesgericht war hingegen der Auffassung, dass solche Alternativmassnahmen nur kurzfristig wirkten und wiederholt ausgeführt werden müssten. Betroffene würden so immer wieder an ihr ursprüngliches biologisches Geschlecht erinnert. Dies löse eine Exazerbation der Geschlechtsdysphorie aus. Verworfen wurde auch das Argument, nach dem Transsexualität eine psychische Erkrankung ist[1] und daher als solche auch (nur) psychiatrisch bzw. psychotherapeutisch, nicht aber kosmetisch zu behandeln sei. Die Verwerfung dieses Arguments erfolgte unter Verweis darauf, dass die Behandlung von Transsexualität lege artis gerade in der Angleichung des biologischen Geschlechts an das gewünschte bzw. empfundene Geschlecht erfolgt und dies stelle nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eben die einzige Möglichkeit eine Geschlechtsdysphorie-Behandlung dar.
Nicht gefolgt wurde schliesslich auch dem Leistungsverweigerungsargument, wonach es sich bei Bartwuchs nicht um eine Krankheit handle, sondern bloss um eine geringfügige subjektiv empfundene kosmetische Beeinträchtigung. Dies deshalb, weil vorliegend allein die kosmetische Behandlung den Krankheitszustand (nämlich die Geschlechtsdysphorie) lindern könne, weshalb diese als Krankenbehandlung i.S.d. österreichischen Sozialversicherungsrecht zu qualifiziert sei.
Aus all diesen Erwägungen schliesst das Gericht darauf, dass die Sozialversicherung für die Kosten für die Epilation der Gesichtsbehaarung aufkommen muss.
Fazit
Insgesamt wird man der österreichischen Entscheidung – abgesehen von der etwas widersprüchlichen Einordnung kosmetischer Behandlungen – wenig entgegenhalten können. Insbesondere überzeugt die Annahme der Voraussetzungen einer Krankheit, der Notwendigkeit und Angemessenheit ihrer Behandlung sowie der Einhaltung sonstiger Voraussetzungen der Kostenübernahme.
Mit Blick in die Schweiz ist auf das Urteil BGer_9C_183/2016 zu verweisen, worin die wesentlichen Voraussetzungen für die Übernahme von Haarentfernungskosten im Rahmen einer Transsexualität durch die obligatorische Krankversicherung folgende sind:
- die Voraussetzungen für einen chirurgischen Eingriff müssen gegeben sein
- eine medizinische Indikation für die Veränderung der sekundären Geschlechtsmerkmale liegt vor
- der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit nach Art. 32 KVG wird gewahrt
- die allgemeinen Anforderungen für die Übernahme von Kosten sind gegeben, d.h. insbesondere auch, dass der Leistungserbringer zur Tätigkeit zulasten der obligatorischen Versicherung zugelassen ist (Art. 25 KVG)
In diesem Urteil wurde im Übrigen die Kostenübernahme verneint, da die Kosmetikerin nicht als Leistungserbringer zulasten der obligatorischen Versicherung zugelassen war.
Insgesamt bleibt zu beachten, dass sich vergleichbare Fragestellungen auch im Bereich der privaten (überobligatorischen) Krankenversicherung künftig vermehrt stellen können. Auch dort agieren die Versicherer keineswegs im rechtsfreien Raum.
Autorin: Alina Grob
Der Beitrag gibt ausschliesslich die persönliche Auffassung der Autorin wieder.