Anerkennung von Online-Eheschliessungen im Ausland?

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So absurd es auch klingen mag: Manche Staaten sehen die Eingehung einer Ehe auch im Online-Weg vor. D.h., bei der Trauung erscheinen die Heiratswilligen nicht persönlich vor der zuständigen Trauungsbehörde, sondern sie geben ihre Erklärung, miteinander die Ehe eingehen zu wollen, von irgendwo auf der Welt mittels digitaler Kommunikationsmittel ab. Folglich stellt sich die Frage, ob eine solche Online-Eheschliessung auch invon einer anderen Rechtsordnung, der die Onlinetrauung fremd ist, rechtlich anerkannt werden kann. 

In seinem Entscheid vom 25.09.2024 hat sich das der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) mit den rechtlichen Herausforderungen, die bei der Anerkennung ausländischer Onlineehen entstehen, befasst. Dabei ging es um den Fall eines ausländischen Paares mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, das im Mai 2021 von Deutschland aus seine Eheschliessungserklärungen gegenüber einer Behörde in den USA mittels Videoanruf übermittelt hatte. Anschliessend erhielt das Paar eine amerikanische Eheurkunde. Nachdem die zuständige Behörde in Deutschland die nach amerikanischem Recht wirksam geschlossene Ehe nicht anerkannte, beantragte das Paar eine neue Eheschliessung in Deutschland.  

Dabei klärte der BGH zunächst ab, ob es sich bei der vorliegenden Online-Eheschliessung nicht doch um eine anerkennungsfähige im Ausland erfolgte Eheschliessung handelte. Er gelangte dabei zu der Ansicht, dass die Eheschliessung an demjenigen Ort, an dem die notwendigen Rechtshandlungen für die wirksame Eheschliessung vorgenommen werden, erfolge. Nach deutscher Rechtsauffassung stellen die Zustimmungen der Ehewilligen die zentralen Rechtshandlungen dar. Infolgedessen erfolgt eine Eheschliessung dann im Inland, wenn zum Trauungszeitpunkt mindestens eine der jeweiligen Eheschliessungserklärungen der Verlobten örtlich in Deutschland abgegeben wird. Da im vorliegenden Fall sogar beide Verlobten von Deutschland aus via Videokonferenz ihre Eheschliessungserklärungen abgegeben hatten, handelte es sich nach Auffassung des Gerichts zweifellos nicht um eine anerkennungsfähige, im Ausland geschlossene Ehe. Demzufolge kam nur eine im Inland geschlossene Ehe in Betracht.  

Gemäss Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB unterliegt eine Eheschliessung in Deutschland den nach deutschem Recht vorgeschriebenen Formvorschriften. Formgültig ist eine Ehe in Deutschland gemäss §1310 Abs. 1 i.V.m. § 1311 BGB nur dann, wenn die Verlobten ihre Erklärung auf Eingehung der Ehe persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit vor dem Standesbeamten abgeben. Da die Online-Eheschliessung eindeutig die vorgenannten Formvorschriften nicht erfüllte, kam das Gericht zum Schluss, dass das Paar nicht bereits gültig geheiratet hatte und somit keine Hindernisse für eine neue beabsichtigte Eheschliessung in Deutschland bestanden.  

Fazit

Würde man die Anerkennung einer Online-Eheschliessung aus der Perspektive eines zuständigen schweizerischen Gerichts beurteilen, hätte das Gericht als erstes zu klären, ob überhaupt eine im Ausland geschlossene Ehe als Gegenstand der Anerkennung nach Art. 25 ff. i.V.m. Art. 45 IPRG vorliegt.  

Nach Art. 45 Abs. 1 IPRG sind ausschliesslich im Ausland gültig geschlossene Ehen in der Schweiz anerkennungsfähig. In demjenigen Land, in dem der Begründungsakt der Ehe erfolgt, ist der Eheschliessungsort zu lokalisieren (vgl. auch Verfügung vom 9. August 2021 Gemeindeamt des Kantons Zürich). Ob eine Ehe in der Schweiz oder im Ausland geschlossen wird, beurteilt sich aus schweizerischer Sicht (ZK-Lüchinger, Art. 45 N 25). Nach schweizerischem Rechtsverständnis steht die Willenserklärung der Verlobten im Mittelpunkt der Eheschliessung, weshalb der Begründungsakt sich in diesem Zusammenhang aus den Willenserklärungen der Verlobten zusammensetzt (ZGB 102 II).  

Befinden sich zum Zeitpunkt der Eheschliessung beide Heiratswilligen auf ausländischem Territorium, liegt eine im Ausland geschlossene Ehe vor (s. auch BJ, Gültigkeit von Online-Ehen?), deren Anerkennung nach Art. 45 i.V.m. Art. 25 IPRG zu beurteilen ist. Demzufolge wird eine Onlineehe, die im Ausland gültig abgeschlossen wurde, in der Schweiz anerkannt, sofern keine Umgehung i.S.v. Art. 45 Abs. 2 vorliegt, kein Anerkennungsverweigerungsgrund nach Art. 45 Abs. 3 gegeben ist und die Eheschliessung nicht dem schweizerischen Ordre public nach Art. 27 IPRG widerspricht.  

 Äussern beide Verlobten ihre Eheschliessungserklärungen durch Telekommunikationsmittel örtlich von der Schweiz aus an eine Behörde, die sich zum Trauungszeitpunkt im Ausland befindet, handelt es sich nicht um eine anerkennungsfähige im Ausland geschlossene Ehe (ZK-Lüchinger Art. 45 N 26). Vielmehr handelt es sich um eine in der Schweiz geschlossene Ehe, deren formelle und materielle Gültigkeit gemäss Art. 44 IPRG nach schweizerischem Zivilrecht zu beurteilen ist. Damit eine Ehe in der Schweiz formgültig geschlossen werden kann, setzt Art. 97 ff. ZGB voraus, dass die Eheschliessung vor einer schweizerischen Zivilstandsbehörde unter persönlichem Erscheinen der Heiratswilligen erfolgt. Daher führen online gegenüber einer ausländischen Behörde bekundete Willenserklärungen zweier physisch in der Schweiz befindlicher Personen nicht zu einer gültigen Eheschliessung.   

Umstritten sind hingegen jene Fälle, in denen die Aufenthaltsstaate der Verlobten divergieren, wenn sich folglich ein Partner in der Schweiz und der andere im Ausland aufhält und die Ehe über elektronische Kommunikationsmittel geschlossen wird. Hier könnte eine gewisse Parallelität zum Argument des deutschen Gerichts gezogen werden: Demnach liesse sich vertreten, dass es sich um eine im Inland geschlossene Ehe handelt, sofern eine der Willenserklärungen der Verlobten in der Schweiz abgegeben wird (eine Position, die auch vom Gemeindeamt des Kantons Zürich vertreten wurde). Im Sinne des favor matrimonii könnte man jedoch dagegenhalten, dass es sich um eine im Ausland geschlossene Ehe handelt, solange nur eine der Erklärungen der Verlobten örtlich aus der Schweiz abgegeben wurde. Bisher bleibt diese Rechtslage umstritten, und es wird sich erst zeigen müssen, wie sich das Bundesgericht dazu verhält. 

Autorin: Elise Giovannini
Der Beitrag gibt ausschliesslich die persönliche Auffassung der Autorin wieder.